Muttertag

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Garten, wenn da einer ist ums Haus, ist natürlich schön, auch weil er die Nachbarn auf Distanz hält, so wie der Pool, auch schön. Die Arbeit daran, an Garten und Pool, damit sie auch so schön bleiben, würde ich allerdings gerne delegieren können. Für Personal aber reicht das Budget definitiv nicht.

Wir hatten mal einen Gärtner, Fabien, der nur die Palmen beschneiden sollte. Die wachsen hier wie Unkraut und breiten sich offenbar über ihre Wurzeln aus. Wo sie sich mal einen Weg gebahnt haben, kriegt man sie nicht wieder weg. Wenn sie mal groß sind und in Gruppen stehen, sieht es nett aus. Man muß allerdings alle Jahre wieder die alten Blätter unten abschneiden, damit es nett und wie Palmen aussieht. Ist ein unangenehmer Job, weil die Blattstiele dornenbewehrt sind. Fabien sollte samstags kommen, gerne regelmäßig, für 12 Euro die Stunde. Oder 15, weiß ich nicht mehr genau. Kam mit einer Art Jeep und einem kleinem Anhänger dran. Den Anhänger brauchen Sie nicht, sagte ich ihm gleich, das Grünzeug kann da weiter hinten zum Verbrennen im Herbst abgelegt werden. Hat ihm gar nicht gefallen, am liebsten wäre er wohl direkt wieder verschwunden, konnte man ihm ansehen. Er versuchte dann noch, mich daraufhinzuweisen, daß das Verbrennen von Grünabfällen seit 2011 verboten wäre – normalement. Weiß ich, erwiderte ich, ich hatte davon gelesen in der Wochenschrift der Gemeinde, wenn ich aber alle meine Grünabfälle einmal durch die Stadt fahren wollte, wäre ich Wochen damit beschäftigt. Ums Verbrennen würde ich mich dann schon selbst kümmern, da könne er beruhigt sein.

Und, wozu sind wir denn in Frankreich? Normalement findet immer Anwendung, wenn es eine Regel gibt oder ein Gesetz und man auch davon weiß. Oder wissen könnte. Wenn das Gesetz oder die Regel aber wirklich unangenehme Konsequenzen in der Umsetzung hat, hält man sich erst mal nicht daran, so wenig wie alle anderen eben, und stellt sich dumm, wenn man doch erwischt wird. Normalement beschreibt die Option auf die individuelle Ausnahme. Das funktioniert meistens, weil die Einhaltung von Regeln und Gesetzen mit wirklich unangenehmen Konsequenzen nur sporadisch kontrolliert wird. In Deutschland gibt es auch viele Regeln und Gesetze. Vielleicht noch mehr als in Frankreich. Wie die zum Baum umsägen vielleicht, um im Garten zu bleiben. Verboten von Februar bis Oktober. Ansonsten genehmigungs- und meldepflichtig. In Deutschland aber gibt es meines Wissens kein normalement. Oder ganz wenig. Wenn Sie einen Baum über 15 Meter ohne Genehmigung umsägen, und zudem vielleicht auch noch im April, kriegen Sie Ärger. Und das ganz sicher. In Frankreich ist das Normalement allgegenwärtig. Und gilt ganz klar auch für das herbstliche Verbrennen von Grünzeug.

Zu Mittag fuhr Fabien nach Hause, kam um zwei wieder, ohne Anhänger dann und ließ sich einen Scheck für drei Stunden geben. Für den Nachmittag hatte er leider, ganz überraschend, andere Verpflichtungen. Muttertag mit maman oder so. Muttertag! Den Samstag darauf hatte er einen gärtnerischen Notfall! Was auch immer das sein mag. Dann lag er arbeitsunfähig darnieder. Lumbago. Fabien hatte sich wohl vorgestellt, sein Anhängerchen mit dem Grünzeug von einer oder zwei Palmen vollzupacken und damit zur kommunalen Déchetterie – Wertstoffhof – zu fahren. Samstag Vormittag! Samstag Vormittag sind sie alle dort mit ihren Anhängerchen. Bugsieren sie im Rückwärtsgang an den Container, machen sie sonst nicht so oft, sieht man, finden ihre Arbeitshandschuhe, lösen die Spanngurte und leeren den Anhänger Zweig um Zweig. Grünzeug-Schlange bis weit auf die Straße. Sehe ich manchmal. Die Hobbygärtner in Gruppen plaudernd zwischen ihren Fahrzeugen. Cooler Job.


© Bertram Diehl, 2016. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors.

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