Schön haben Sie's hier

Einer von die­sen gro­ßen Bäu­men ist tot. Ein Euka­lyp­tus. Bestimmt zwan­zig Meter hoch, unten ein Durch­mes­ser von fast einem Meter. Die Haus­ver­wal­tung der Appar­te­ment­an­lage nebenan hatte mich dar­auf hin­ge­wie­sen. Ména­çant, bedroh­lich sei das. Die Haus­ver­wal­tung hat recht. Dies­mal schon. Sie haben immer was an mei­nen Bäu­men aus­zu­set­zen. Zu viele Blät­ter, zu viele Blü­ten, zu viele Eicheln, Äste auf der fal­schen Seite des Zauns. Dies­mal haben sie recht. Wenn der Baum umfiele Rich­tung Appar­te­ment­an­lage, würde er Bal­kone mit­neh­men und auf dem Park­platz ein regel­rech­tes Mas­sa­ker anrich­ten. Zahl­lose Autos. Schlimms­ten­falls Men­schen. Papa auf dem Weg zur Arbeit, Mama mit Kin­dern auf dem Weg zur Schule. Wer weiß schon, wann der Baum umfällt. So ein toter Baum ist unbe­re­chen­bar. Drin­gen­der Hand­lungs­be­darf.

Schön haben Sie's hier. Der Baum­spe­zia­li­sist. Ein Spe­zia­list für das Fäl­len gro­ßer Bäume unter best­mög­li­cher Scho­nung der Umge­bung. Aus meh­re­ren Kos­ten­vor­anschlä­gen, min­des­tens zwei, werde ich den güns­tigs­ten aus­wäh­len. Die­ser Spe­zia­list, weiß ich aus Erfah­rung, wird den Zuschlag ver­mut­lich nicht bekom­men. Hand­wer­ker und Dienst­leis­ter, die als ers­tes schön haben Sie's hier sagen, brin­gen in ihre Kal­ku­la­tion den Schön-haben-Sie's-hier-Zuschlag ein. Min­des­tens zwan­zig Pro­zent. Schon am Tele­fon zur Ver­ein­ba­rung unse­res Ren­dez­vous war ver­mut­lich schon der erste Zuschlag zur Pro­fit­ma­xi­mie­rung fäl­lig gewor­den. Etwas har­ter teu­to­ni­scher Akzent. Aus­län­der­zu­schlag.

Vor ein paar Jah­ren war spät abends mal ein Ast abge­fal­len von einem die­ser gro­ßen Bäume. Ein­fach so. War wohl ein biss­chen mod­rig am Ansatz. Konnte man nicht vor­her­se­hen. Fiel eines Abends ein­fach ab und quer über den Park­platz der Appar­te­ment­an­lage. Gegen elf Uhr klopfte mich die Poli­zei aus dem Bett. Ob ich das nicht gehört hätte? – Was denn? – Na, mei­nen Baum, der gerade umge­fal­len wäre. Ich hatte nichts gehört. Eine Alarm­an­lage viel­leicht frü­her am Abend. Alarm­an­la­gen geben hier stän­dig Alarm. Auf dem Park­platz der Appart­ment­e­an­lage Kata­stro­phen-Sze­na­rio. Mein Baum lag quer über den Park­platz, die letz­ten Zweige direkt vor dem Ein­gangs­be­reich. Blau­licht von Poli­zei und Feu­er­wehr. Schein­wer­fer, Ket­ten­sä­gen. Rat­los umher­ste­hende Men­schen. Ich musste mein Bedau­ern zum Aus­druck brin­gen und For­mu­lare für die Ver­si­che­run­gen aus­fül­len.

Das wäre ja nicht ganz ein­fach, sagte der Baum­spe­zia­list, so dicht am Park­platz und an den ande­ren Bäu­men. So groß der Baum, so dick, so schwer. Euka­lyp­tus sei schwe­res Holz, selbst wenn es tro­cken ist und tot, außer­dem fase­rig und hart, erklärte der Baum­spe­zia­list. Viel schwe­rer zu bear­bei­ten noch als Eiche. Redete von Absper­run­gen auf dem Park­platz nebenan und Hebe­büh­nen, Spe­zi­al­ket­ten für seine Sägen. Euka­lyp­tus-Spe­zi­al­ket­ten. Min­des­tens drei Mann. Wahr­schein­lich ein gan­zer Tag. Extra­kos­ten für die Ent­sor­gung. Logisch. Damit würde er spä­ter im Ange­bot noch einen Wahn­sin­nig-schwie­rig-Zuschlag recht­fer­ti­gen. Dem Aus­län­der, der so wohnt, kann man bestimmt alles ver­kau­fen. Hat ja ver­mut­lich keine Ahnung, der Aus­län­der.

Damals waren fünf Autos zu Scha­den gekom­men. Zum Glück kein Per­so­nen­scha­den. Nicht aus­zu­den­ken, wenn Men­schen zu Scha­den gekom­men wären. Nur Autos. Eines davon Total­scha­den. Ver­mut­lich. Es sah zumin­dest nach Total­scha­den aus. Das Auto war ein Samm­ler­stück, sagte der Besit­zer, ergänzte aller­lei tech­ni­sche Details. Son­der­an­fer­ti­gung, viele Zylin­der. Was ver­stehe ich von Autos? Ein Auto ist gut, wenn es nicht jedes Jahr in die Werk­statt muss. Das Samm­ler­stück war ein Mer­ce­des. Einer von die­sen unver­wüst­li­chen, die Aber­mil­lio­nen von Kilo­me­tern schaf­fen. Nicht tot zu krie­gen. Mein Vater hatte mal so einen. So ein Modell von frü­her, ein Mani­fest gedie­ge­ner schwä­bi­scher Zuver­läs­sig­keit bar jeg­li­cher Ele­ganz. Mein Vater konnte sich nicht damit anfreun­den. Sein ers­ter und letz­ter Die­sel. Nie wie­der Die­sel. Der ein­zige Die­sel mei­nes Vaters fährt bestimmt noch irgendwo in Afrika als Taxi.

Auf dem Rück­weg zu sei­nem groß­rah­mi­gen SUV aus Bay­ern plau­der­ten wir noch ein wenig. Ich musste klar­stel­len, dass ich kein Bel­gier sei und dies hier nicht mein Zweit­wohn­sitz. Bel­gier sind min­des­tens ebenso unbe­liebt wie pari­si­ens und damit Zuschlags­an­wär­ter. Zweit­wohn­sitz geht ohne­hin nicht. Sol­chen Leu­ten muss man Geld abneh­men, wo es nur geht. Dass ich nicht im Urlaub hier wäre, son­dern in Frank­reich arbei­ten würde, ange­stellt im Kran­ken­haus. Bel­gier- und Zweit­wohn­sitz-Zuschlag wür­den sich trotz­dem im Ange­bot nie­der­schla­gen, ahnte ich. Unaus­ge­spro­chen. Dazu noch der Dok­tor­zu­schlag. Auch unaus­ge­spro­chen natür­lich.

Das Samm­ler­stück sah wirk­lich nicht gut aus. Das Dach ein­ge­drückt, fast alle Schei­ben in klei­nen Krü­meln. Zudem hatte ein Zweig des Asts den Motor durch­bohrt. Rich­tig tot. Erin­nerte mich an Dra­cula-Filme. Erst ein durchs Herz getrie­be­ner Holz­pf­lock bringt den Unto­ten die letzte Ruhe. Der Besit­zer würde diese Asso­zia­tion nicht so komisch fin­den, er hatte Trä­nen in den Augen. Was über­haupt hat ein angeb­lich so wert­vol­les Auto auf dem Park­platz einer Appar­te­ment­an­lage zu suchen, dachte ich mir. Ein Mer­ce­des sei ja eigent­lich nicht tot zu krie­gen, ver­suchte ich den trau­ri­gen Besit­zer zu trös­ten, mein Vater hätte auch so einen. Seit vie­len Jah­ren schon. Unver­wüst­lich. Sein gan­zer Stolz. Und bestimmt sei der Wagen ja ent­spre­chend sei­nes Werts ver­si­chert. Bei Mer­ce­des krie­gen die das bestimmt wie­der hin.

Zwei Tage spä­ter eine Mail mit dem devis, dem Ange­bot. 1 800 Euro HT, hors taxes, ohne Mehr­wert­steuer. Sämt­li­che Zuschläge offen­bar rea­li­siert. Mehr­wert­steuer noch­mal zwan­zig Pro­zent. Das kenne ich schon. Machen Maler, Klemp­ner, Mau­rer auch gerne so. Fan­gen an mit ihrem Schön-haben-Sie's-hier, den­ken sich einen pas­sen­den Zuschlag dafür, ergän­zen die­sen zunächst mit dem Wahn­sin­nig-schwie­rig-Zuschlag und ver­voll­stän­di­gen groß­zü­gig auf­grund ver­mut­lich bel­gi­schen Akzents, Zweit­woh­nung und Dok­tor. Mehr­wert­steuer, ja, lei­der. – Maxime, ein jun­ger Baum­spe­zia­list aus dem Dorf, macht den Baum mit einem Kum­pel an einem Sams­tag-Vor­mit­tag um. Ohne Absper­rung, ohne Hebe­büh­nen, ohne Kol­la­te­ral­scha­den. Eine Son­der­re­ge­lung als Jung­un­ter­neh­mer erlaubt ihm den Ver­zicht auf die Mehr­wert­steuer. Vier­hun­dert Euro. Maxime ist Anfän­ger im Spe­zia­lis­ten-Gewerbe.

Schön haben Sie's hier.


© Bertram Diehl, 2018. Abdruck, auch aus­zugs­weise, nur mit aus­drück­li­cher Geneh­mi­gung des Autors.


Für Aila von der Rivie­r­a­Zeit die auf gut vier­tau­send Zei­chen geschrumpfte Ver­sion

Einer von die­sen gro­ßen Bäu­men ist tot. Ein Euka­lyp­tus. Bestimmt zwan­zig Meter hoch, unten ein Durch­mes­ser von einem Meter. Die Haus­ver­wal­tungder Appart­ment­an­lage nebenan hatte mich dar­auf hin­ge­wie­sen.Ména­çant, bedroh­lich sei das. Die Haus­ver­wal­tung hat recht. Wenn der Baum umfällt Rich­tung Appart­ment­an­lage, würde er Bal­kone mit­neh­men und auf dem Park­platz ein Mas­sa­ker anrich­ten. Zahl­lose Auto. Schlimms­ten­falls Men­schen. Wer weiß, wann der Baum umfällt. Drin­gen­der Hand­lungs­be­darf.

Schön haben Sie's hier. Der Baum­spe­zia­li­sist. Ein Spe­zia­list für das Fäl­len gro­ßer Bäume unter best­mög­li­cher Scho­nung der Umge­bung. Aus meh­re­ren Kos­ten­vor­anschlä­gen werde ich den güns­tigs­ten aus­wäh­len. Die­ser Spe­zia­list wird den Zuschlag ver­mut­lich nicht bekom­men. Hand­wer­ker und Dienst­leis­ter, die als ers­tes schön haben Sie's hier sagen, brin­gen in ihre Kal­ku­la­tion den Schön-haben-Sie's-hier-Zuschlag ein. Min­des­tens zwan­zig Pro­zent. Schon am Tele­fon zur Ver­ein­ba­rung unse­res Ren­dez­vous war ver­mut­lich schon der erste Zuschlag fäl­lig gewor­den. Etwas har­ter teu­to­ni­scher Akzent. Aus­län­der­zu­schlag.

Vor ein paar Jah­ren war spät abends mal ein Ast abge­fal­len von einem die­ser gro­ßen Bäume. Ein­fach so, unvor­her­seh­bar. Fiel eines Abends ab und quer über den Park­platz der Appart­ment­an­lage. Gegen elf Uhr klopfte mich die Poli­zei aus dem Bett. Auf dem Park­platz der Appart­ment­an­lage herrschte Kata­stro­phen­stim­mung. Der Ast lag quer über den Park­platz, die letz­ten Zweige direkt vor dem Ein­gangs­be­reich. Blau­licht von Poli­zei und Feu­er­wehr. Schein­wer­fer, Ket­ten­sä­gen. Rat­los umher­ste­hende Men­schen. Ich musste mein Bedau­ern zum Aus­druck brin­gen und For­mu­lare für die Ver­si­che­run­gen aus­fül­len.

Das wäre ja nicht ganz ein­fach, sagte der Baum­spe­zia­list, so dicht am Park­platz und an den ande­ren Bäu­men, so groß, so dick, so schwer. Euka­lyp­tus ist schwe­res Holz, auch tro­cken und tot, außer­dem fase­rig und hart, erklärte der Baum­spe­zia­list. Viel schwe­rer zu bear­bei­ten noch als Eiche. Redete von Absper­run­gen auf dem Park­platz nebenan und Hebe­büh­nen, Spe­zi­al­ket­ten für seine Sägen. Euka­lyp­tus-Spe­zi­al­ket­ten. Min­des­tens drei Mann. Wahr­schein­lich ein gan­zer Tag. Extra­kos­ten für die Ent­sor­gung. Logisch. Damit würde er spä­ter im Ange­bot den Wahn­sin­nig-schwie­rig-Zuschlag recht­fer­ti­gen. Dem Aus­län­der, der so wohnt, kann man bestimmt alles ver­kau­fen. Hat ja ver­mut­lich keine Ahnung, der Aus­län­der. Dar­auf die Mehr­wert­steuer. Auch zwan­zig Pro­zent.

Damals waren fünf Autos zu Scha­den gekom­men. Zum Glück kein Per­so­nen­scha­den. Nicht aus­zu­den­ken, wenn Men­schen zu Scha­den gekom­men wären. Nur Autos. Eines davon sah nach Total­scha­den aus. Ein Mer­ce­des. Einer von die­sen unver­wüst­li­chen, die Aber­mil­lio­nen von Kilo­me­tern schaf­fen. So ein Modell von frü­her, ein Mani­fest gedie­ge­ner schwä­bi­scher Zuver­läs­sig­keit bar jeg­li­cher Ele­ganz. Nicht tot zu krie­gen. Ein Samm­ler­stück, sagte der Besit­zer mit Trä­nen in den Augen, ergänzte aller­lei tech­ni­sche Details. Son­der­an­fer­ti­gung, viele Zylin­der. Das Samm­ler­stück sah wirk­lich nicht gut aus. Das Dach ein­ge­drückt, fast alle Schei­ben in klei­nen Krü­meln. Zudem hatte ein Zweig des Asts den Motor durch­bohrt. Rich­tig tot. Ein Mer­ce­des sei ja eigent­lich nicht tot zu krie­gen, ver­suchte ich den trau­ri­gen Besit­zer zu trös­ten, mein Vater hätte auch so einen. Seit vie­len Jah­ren schon. Unver­wüst­lich. Und bestimmt sei der Wagen ja ent­spre­chend sei­nes Werts ver­si­chert. Das krie­gen die bei Mer­ce­des bestimmt wie­der hin.

Auf dem Rück­weg zu sei­nem groß­rah­mi­gen SUV aus Bay­ern plau­der­ten wir noch ein wenig. Ich musste klar­stel­len, dass ich kein Bel­gier sei und dies hier nicht mein Zweit­wohn­sitz. Bel­gier- und Zweit­wohn­sitz-Zuschlag wür­den sich trotz­dem im Ange­bot nie­der­schla­gen. Dazu noch der Dok­tor­zu­schlag. Zwei Tage spä­ter kam eine Mail mit dem Ange­bot. 1 800 Euro hors taxes, ohne Mehr­wert­steuer. Sämt­li­che Zuschläge offen­bar dis­kret inbe­grif­fen. Maxime, ein jun­ger Baum­spe­zia­list aus der Dorf, macht das mit einem Kum­pel an einem Sams­tag-Vor­mit­tag. Ohne Absper­rung, ohne Hebe­büh­nen, ohne Kol­la­te­ral­scha­den, ohne Mehr­wert­steuer. Vier­hun­dert Euro.

Schön haben Sie's hier.

Weihnachten

Allô?

Ich erkenne an der Num­mer, wer mich da anruft. Ich melde mich trotz­dem mit Hallo?, weil alle das so machen.

Allô?

Das ist Manus Bru­der. In Frank­reich wird – auch weit jen­seits des Zeit­al­ters auf­kom­men­der ana­lo­ger Tele­kom­mu­ni­ka­tion – zunächst die Sta­bi­li­tät der Lei­tung geprüft.

Oui, bon­jour, c'est Mon­sieur Diehl!

Sage ich, als ob er das nicht wüßte. Er hat mich ja aus sei­nem Tele­fon selbst ange­ru­fen. Machen aber alle so.

Bon­jour, c'est le Père Noël!

Der Weih­nachts­mann! Ges­tern mußte ich am Tele­fon laut wer­den mit Manus Bru­der. Ein biß­chen teu­to­nisch, ich muß es zuge­ben. Ich konnte meine Gene­tik nicht mehr unter Kon­trolle hal­ten. Manus Bru­der bezieht sich auf meine Ansage, ich wäre nicht gewillt, bis Weih­nach­ten auf die Dämp­fer der Heck­klappe zu war­ten. Manus Bru­der kann rich­tig komisch sein. Er ist der Weih­nachts­mann! Und das, obwohl er im Laden immer die Drecks­ar­beit machen muß. Immer ist er mit dem Staub­sauger unter­wegs und der Werk­zeug­kiste. Wenn er mor­gen immer noch wit­zig ist, gril­len wir dem­nächst zusam­men.

Manu selbst ist der Patron. Manu ist deut­lich weni­ger wit­zig. Er ist Gebraucht­wa­gen­händ­ler. Er muß sich um den Papier­kram küm­mern. Unter ande­rem. Für jedes Auto ein Kraft­um­schlag in DIN A 5. Die Umschläge ihrer­seits in klei­nen Plas­tik­kis­ten, etwa zwan­zig pro Kiste. So ist Papier­kram anstren­gend. Er ver­kauft direkt an der Natio­nal­straße Autos, die sonst kei­ner mehr ver­kauft. Zur Zeit steht eine ganze Flotte Renault von der Post auf sei­nem Hof. Gelbe Lie­fer­wa­gen jeder mit rund einer hal­ben Mil­lion Kilo­me­tern auf dem Zäh­ler. Neu­lich konnte man da auch was Gro­ßes von Mer­ce­des-Benz sehen, aber das war ver­mut­lich Manus Eigen­be­darf. Mir hat er Ende Juli (Juli! Da war noch Som­mer, das war vor sie­ben Wochen) einen grau­sil­ber­nen Renault ver­kauft. Zehn Jahre alt, aber in Ord­nung. Für mich als Laien zumin­dest in Ord­nung. Das Auto fährt gera­de­aus, alle Gänge funk­tio­nie­ren, die Brem­sen brem­sen gleich­mä­ßig. Keine unan­ge­neh­men Geräu­sche, keine Ölspu­ren. Eine Schlüs­sel­karte muß neu pro­gram­miert, die Kli­ma­an­lage auf­ge­füllt wer­den. Okay. Was will ich erwar­ten zu dem Preis? Und die Dämp­fer der Heck­klappe funk­tio­nie­ren nicht. Er will mir aller­dings Ersatz beschaf­fen. Bis mor­gen, spä­tes­tens über­mor­gen. Ende Juli.

Né vous inquié­tez pas.

Dann, vier Tage und keine hun­dert Kilo­me­ter spä­ter, ließ mich der Renault mit defek­tem "Turbo" auf der Auto­bahn im Stich. Manu selbst ist, wie gesagt, weni­ger wit­zig als sein Bru­der, auch weil er sich nicht nur um den kom­pli­zier­ten Papier­kram in den Kist­chen küm­mern muß, son­dern auch um die Rekla­ma­tio­nen. Meine Rekla­ma­tion hat ihm gar keine Freude berei­tet. Ich habe ihn über Wochen jeden Tag ange­ru­fen, fast jeden Tag. Meine Ent­täu­schung nicht ver­hehlt. Mei­nem Ärger gele­gent­lich freien Lauf gelas­sen. Mit dem Rechts­an­walt gedroht. Teu­to­ni­sche Ver­an­la­gung eben. Manu blieb gelas­sen:

Né vous inquié­tez pas! Je m'en occupe. Je vous tiens au cou­rant!

Blei­ben Sie ganz ruhig! Ich küm­mere mich darum. Ich halte Sie auf dem Lau­fen­den. Aber, das müßte ich ver­ste­hen, es wäre immer­hin August und der Her­stel­ler und sein Lie­fe­rant und der Lie­fe­rant des Lie­fe­ran­ten wären wohl im Urlaub. Ich rufe Sie an, wenn der Tur­bo­la­der da ist. Fünf Wochen lang. Fünf! Fast jeden Tag. Jedes Mal der glei­che Text. Né vous inquié­tez pas! Aber ich müßte auch ver­ste­hen und so wei­ter. Für teu­to­ni­sche Ver­an­la­gung blieb ich sehr gelas­sen. Finde ich.

Letzte Woche waren der Turbo-Her­stel­ler und die Lie­fe­ran­ten­kette end­lich aus den Som­mer­fe­rien auf­ge­wacht und Rachid, Manus Mecha­ni­ker, würde das Teil ein­bauen. Mor­gen, spä­tes­tens über­mor­gen. Tat­säch­lich konnte ich den Renault zwei Tage spä­ter abho­len.

Die Heck­klap­pen­dämp­fer waren über dem gan­zen Ärger mit dem Tur­bo­la­der lei­der in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Der wit­zige Bru­der über­nahm. Da wußte ich aber noch nicht, wie wit­zig der Bru­der sein konnte.

Né vous inquié­tez pas! Je m'en occupe. Je vous tiens au cou­rant!

Das war nun ein­deu­tig zuviel für meine teu­to­ni­sche Ver­an­la­gung. Das kannte ich schon vom sei­nem Bru­der, dem Patron. Ich konnte nicht mehr anders, als mei­nem Ärger freien Lauf zu las­sen, mit dem Rechts­an­walt zu dro­hen und auf den Ein­bau der Dämp­fer deut­lich vor Weih­nach­ten zu bestehen. Das war ges­tern.

Heute ist Weih­nach­ten.


© Bertram Diehl 2015. Abdruck, auch aus­zugs­weise, nur mit aus­drück­li­cher Geneh­mi­gung des Autors.

bertram@​diehl.​fr