Französische Hölle

25. Februar 2015 Von Alleinerzieher

Das reicht nicht für das Para­dies. Du mußt in die Hölle. Aber dir bleibt die Wahl zwi­schen deut­scher Hölle und fran­zö­si­scher.

Na gut. Wie sieht's denn in der deut­schen Hölle aus?

In der deut­schen Hölle gibt es sie­den­des Öl, glü­hende Kohle, ros­tige Nägel unter die Zehen­nä­gel, Zan­gen, Dau­men­schrau­ben.

Und was gibt es in der fran­zö­si­schen?

In der fran­zö­si­schen Hölle gibt es sie­den­des Öl, glü­hende Kohle, ros­tige Nägel unter die Zehen­nä­gel, Zan­gen, Dau­men­schrau­ben.

Das ist ja das Glei­che!

Im Prin­zip schon, ich würde dir aber die fran­zö­si­sche emp­feh­len.

Wieso das, was ist der Unter­schied?

In der fran­zö­si­schen Hölle gibt es mal kein Öl, mal keine Nägel. Und die Zan­gen funk­tio­nie­ren auch nicht immer. Manch­mal streikt das Per­so­nal.

So ähn­lich geht der Lieb­lings­witz mei­ner Frau.

Im Kino von La-Salle-les-Alpes. La-Salle-les-Alpes liegt in den fran­zö­si­schen Alpen, ist Teil des Ski­ge­biets von Serre Che­va­lier ober­halb von Bri­ançon. Tiefs­tes Frank­reich. Die gut neun­hun­dert stän­di­gen Ein­woh­ner von La-Salle-les-Alpes leben vom Tou­ris­mus, vor allem Ski-Tou­ris­mus. Gegen­über des Centre com­mer­cial das Kino, "Le Con­corde", ein zweck­mä­ßi­ger Bau aus den Sech­zi­ger Jah­ren. Jeden Tag andere Filme. Zwei Säle, zwei Vor­stel­lun­gen, eine um 18 Uhr, die zweite um 21 Uhr. Vier ver­schie­dene, halb­wegs aktu­elle Filme, ein rich­ti­ges Pro­gramm! Bei Schnee­fall eine wei­tere Vor­stel­lung um 14:30 Uhr. Wahr­schein­lich wird das Kino mas­siv sub­ven­tio­niert.

Vor­ges­tern, Mon­tag, haben wir "La nuit au musée 3" gese­hen. Er müßte uns dar­auf hin­wei­sen, daß die Hei­zung nicht funk­tio­nie­ren würde, sagte der junge Mann an der Kasse. Die aktu­elle Raum­tem­pe­ra­tur, ergänzte er unge­fragt, läge bei zehn Grad. Dafür gebe es alle Plätze zum Kin­der­ta­rif von 4,50 Euro.

Ges­tern woll­ten wir "Pad­ding­ton" in der Früh­vor­stel­lung um 18 Uhr sehen. Der glei­che junge Mann wies uns wie­der dar­auf hin, daß die Hei­zung nicht funk­tio­nie­ren würde. Die aktu­elle Raum­tem­pe­ra­tur prä­zi­sierte er – auf Nach­frage – mit "etwa zehn Grad". Die Plätze gab es zum Ein­heits­ta­rif von nur noch 3,50 Euro. Zehn Grad kann man ein­ein­halb Stun­den aus­hal­ten. Immer­hin ist es wind­still im Kino.

Um 18:30 Uhr bit­tet der junge Mann den halb gefüll­ten Saal um Auf­merk­sam­keit. "Pad­ding­ton" könne er aus "ver­mut­lich" tech­ni­schen Grün­den nicht star­ten, weder in die­sem Saal noch im ande­ren. Er würde uns alter­na­tiv einen Zei­chen­trick­film anbie­ten – "Les Nou­veaux Héros". Oder den Ein­tritts­preis zurück­er­stat­ten. Bei die­sen Wor­ten beginnt sich der Saal zu lee­ren. Wir blei­ben. Eine wei­tere Vier­tel­stunde spä­ter, kurz vor dem Ende des Vor­films ent­steht Tumult im Ein­gangs­be­reich hin­ten. Flu­chende Väter, zischende Müt­ter, quen­gelnde Kin­der. Offen­bar war auch die Rück­erstat­tung der Ein­tritts­kar­ten wegen "ver­mut­lich" tech­ni­scher Hin­der­nisse nur teil­weise erfolg­reich.

Fran­zö­si­sche Hölle.


© Bertram Diehl 2015. Abdruck, auch aus­zugs­weise, nur mit aus­drück­li­cher Geneh­mi­gung des Autors.

bertram@​diehl.​fr